Musik in den Tuttlinger Kirchen


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Kirchen, Kapellen und Klöster in Tuttlingen

Ausstattung der Tuttlinger Kirchen

Liste der Geistlichen in Tuttlingen





Wenig ist über das musikalische Leben in den Tuttlinger Kirchen überliefert. Für die vorreformatorische Zeit kann für Tuttlingen allein schon durch seine Zugehörigkeit zum Kloster Reichenau, einem Ort der frühen musikalischen Hochblüte - man denke nur an Hermann den Lahmen und sein „Salve Regina“ - auch das Vorhandensein einer kirchenmusikalischen Kultur angenommen werden. Pontifikalhochämter mit dem Reichenauer Abt (wie das anno 1135, das Abt Ludwig von Reichenau das Leben kostete) werden kaum ohne entsprechende musikalische Umrahmung stattgefunden haben. Ähnliches mag auch für die spätere Zeit gelten, als Konstanz ein Zentrum der besten Komponisten der damaligen Zeit war. Hans Buchner (1483-1538), Sixt Dietrich (um 1490-1517), Sebastian Virdung (um 1500) wirkten als Kathedralmusiker in Konstanz, der auch heute noch bekannteste unter ihnen war der spätere Hofkomponist Kaiser Maximilians, Heinrich Isaac (vor 1450-1517).

Die Zeit nach der Reformation liegt kirchenmusikalisch im Dunkeln. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg wird mit dem Neubau der Orgel in der Peter- und Paulskirche 1684 durch den Hoforgelmacher Johann Jacob Fesenbeckh Kirchenmusik in Tuttlingen wieder faßbar. Dietrich von Karpfen stiftete nicht nur die Orgel sondern auch das Gehalt für einen Organisten, was zu einem wirklichen musikalischen Boom geführt haben muß, wie es das Kircheninventar von 1744 erahnen läßt. Dieses führt unter anderem auch die in der Kirche aufbewahrten Musikalien und Musikinstrumente auf.

Wir finden in der Stadtkirche neben der Orgel: „1 noch gute Violin, 1 gute Violon- oder Baßgeigen, 1 guten Cornet oder Zincken, 1 gute Trombona oder Posaunen, 2 alte und unbrauchbare Hautbois, 1 neue Fagotto, 1 alt und unbrauchbaren dito, 2 noch gute Waldhorn, 1 gute la Taille, 1 alte Braccio.“, also ein doch durchaus stattliches Arsenal an Musikinstrumenten.

Von Andreas Hammerschmidt (1611/12-1675), dem bedeutendsten Kirchenmusiker zwischen Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach, finden wir im Repertoire der Tuttlinger Kirchenmusik die Musicalischen Andachten, Gespräche über die Evangelia, Fest-, Buß- und Danklieder (für 5 Sing- und 5 Intrumentalstimmen) sowie die sechstimmigen Fest- und Zeitandachten. Vom ehemaligen Gothaer Hofkantor und Hoforganisten und späteren Kapellmeister der Darmstädter Hofkapelle Wolfgang Carl Briegel (1626-1712) ist Herrn Pfarrers Johann Samuel Kriegmanns evangelisches Hosianna in geistlichen Liedern für 1-5 Singstimmen, 2 Instrumente und Generalbaß verzeichnet. Württembergische Tonkünstler finden wir mit Theodor Schwartzkopff (1659-1732), Hofmusicus und Kapellmeister der Stuttgarter Hofkapelle (Fuga melancholiae harmonica), Johannes Georg Christian Störl (1675-1719), Schüler von Schwartzkopff, nach Studienaufenthalten in Nürnberg (bei Johann Pachelbel), Wien, Venedig und Rom (Archangelo Corelli) Stiftsorganist und Kapellmeister in Stuttgart (Schlag- Gesang und Noten-Buch für Diskant und Generalbaß von 1710) und Daniel Speer (1636-1707), ehemaliger Kantor in Göppingen und Autor eines Lehrbuches der Musiktheorie (Evangelische Seelengedanken, Jubilus Bernhardi, und Jubilus coeleste).  Das Tuttlinger Repertoire bestand also aus einer Mischung von Werken lokaler (württembergischer) Größen und überregional bedeutenden Komponisten. Zeitgenössische Werke dieser Zeit (Komponisten wie Bach oder Händel) fehlen. Kompositorische Tätigkeit in Tuttlingen ist auch nicht faßbar.

Die meisten Partituren finden sich in einer Anzahl von 9-10 Exemplaren. Somit kann von einer Gesamtgröße der Tuttlinger Kirchenmusik in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von etwa 10 Tonkünstlern (Sänger, Instrumentalisten, Organist) ausgegangen werden. Diese Anzahl an Musikern ist für die damalige Zeit durchaus üblich, so hatte z.B. die Stuttgarter Hofkapelle, der Vorgänger des heutigen Staatsopernchores, in der Zeit von 1736 bis 1750 neun Chorsänger und elf Kapellknaben (Sopran und Alt). Auch am Freiburger Münster, zu dieser Zeit eine einfache Pfarrkirche und noch kein Bischofssitz, waren für die Kirchenmusik anfang des 18. Jahrhunderts nur 12 Tonkünstler verantwortlich. Die Herausbildung der heute bekannten großen Chöre fand erst im 19. Jahrhundert in der Zeit der Romantik statt. Ein eigenständiger Kantor ist für Tuttlingen nicht überliefert, es ist jedoch anzunehmen, daß wie in anderen Orten auch die Aufgabe des Kantors durch den Präceptor (Lehrer an der Lateinschule) wahrgenommen wurde. Von Dekan Hochstetter wurde eine Liedersammlung, das in Tübingen gedruckte Tuttlinger Gesangbuch, zusammengestellt, das in der Stadtkirche gebraucht wurde.