Kirchen, Kapellen und Klöster in Tuttlingen


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St. Martinskirche

St. Martin war der älteste Kirchenbau und auch die Hauptkirche auf Tuttlinger Gemarkung. Die Wahl des fränkischen Nationalheiligen St. Martins als Patron deutet auf das 8. oder 9. Jahrhundert als Stiftungsdatum hin. Dieses Patrozinium läßt somit eine Kirchengründung bereits durch die fränkische Familie des Grafen Gerold und nicht erst durch die Abtei Reichenau vermuten, so daß die Martinskirche bereits vor 799 bestanden haben muß. Zwischen der Stadt und dem Honberg gelegen, umgeben vom Friedhof, markierte diese Kirche den Platz des früheren Dorfes Tuttlingen. Vor allem der aus schönen Quadersteinen gemauerte Turm schien ihr hohes Alter zu bestätigen.

St. Martin hatte zwei Altäre, einer davon dem Kirchenpatron St. Martin geweiht, er war eine Stiftung der Anna Mendler, der Hausfrau des Cunrad Etterlin. Der andere Altar war Unserer Lieben Frau geweiht. Die Güterbeschreibung des Oberen Kelhofes aus der Zeit um 1500 nennt als besonders bedachten Altar den „mittleren vorderen Altar“, der wohl als der Hochaltar der Kirche angesehen werden muß. Somit läge nahe, den mittleren vorderen Altar mit dem St. Martinsaltar gleichzusetzen. Die Besitzer des Oberen Kehlhofes waren als Lehensträger des Kirchenzehnten verpflichtet, einen Teil des Kirchendaches zu erhalten. Der Kirchenzehnt (auch „Jägerischer Zehnt“ genannt) wurde bis zum Ende des alten Reiches, die letzte erhaltene Urkunde darüber datiert von 1781, durch das Kloster Reichenau oder dessen Rechtsnachfolger, den Bischof von Konstanz. Das Widum befand sich hauptsächlich im Unteren Esch, im Esch bei der Kirche und im Esch beim Siechenhaus.

Am 28. Januar 1135 kam es in der Tuttlinger Kirche zu einer Bluttat: der Reichenauer Abt Ludwig von Pfullendorf, Sohn des Grafen Ludwig von Stoffeln-Pfullendorf, wurde a maioribus monasterii hominibus (von mächtigen Männern des Klosters) in vollem priesterlichen Ornat ermordet. Er wurde auf der Reichenau in der Vorhalle der Laurentiuskapelle beigesetzt. Abt Ludwig hatte vier Jahre lang die Geschicke des Klosters geleitet, er war der 36. Abt des Klosters. Die Hintergünde der Tat sind nicht bekannt, erst viel spätere Gerüchte, die unter anderem in den Annales Suevici von Crusius (1595) auftauchen, wollen von einer Beteiligung der Grafen von Zollern oder der Herren von Sulz wissen. Man kann jedoch sicher davon ausgehen, daß der Mord mit dem Machtstreben von Ministerialen des Klosters zusammenhängt. Daß sich diese Bluttat in der St. Martinskirche ereignete wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, es darf jedoch davon ausgegangen werden, weil es sich bei St. Martin um die Tuttlinger Hauptkirche handelte.

Die Martinskirche findet nochmals Erwähnung im Zusammenhang mit der Schlacht bei Tuttlingen im Jahre 1643. Im November 1643 ließ die damalige französische Besatzung der Stadt Tuttlingen ihre gesamte Artillerie auf dem Friedhof um die St. Martinskirche lagern: allernechst bey der Statt Düttlingen / ist ein Schloß auff einem Berg / und der Statt so nahe gelegen / daß mit einer Musquete dahin zuschiessen: zwischen selbige Schloß und der Statt auff einem Kirchhoff / seynd ihre Stück unnd Munition gestanden. Beim Überfall der vereinigten kaiserlich-bayerischen Truppen wurde dort die französische Wache samt ihrem Hauptmann erschlagen. Bei diesen Kampfhandlungen wurde die Kirche derart ruiniert, daß sie nicht wieder aufgebaut wurde. Die durch den Krieg dezimierte Gemeinde hatte ja noch die Peter- und Paulskirche in der Stadt. St. Martin geriet immer mehr in Abgang, bis man 1803 weiter nichts mehr davon sah als einen etwa 12 m hohen Turm ohne Dach, der dann beim Wiederaufbau der abgebrannten Stadt als willkommener Steinbruch vollends verschwand. 1862 wurde an der Stelle der Martinskirche eine Friedhofskapelle errichtet, die 1923 zu einer Kriegergedächtniskapelle umgebaut wurde.


St. Peter- und Paulskirche

Die Filialkirche von St. Martin lag in der Stadt. Ursprünglich nur eine kleine Kapelle, den Patronen der Reichenau Petrus und Paulus geweiht, 1006 gebaut, wie eine bis zum Stadtbrand erhaltene Jahreszahl über dem dritten nördlichen Fenster des Turmes bezeugte, entwickelte sie sich im Laufe der Zeiten zur zentralen Pfarrkirche der Stadt, auch wenn St. Amrtin immer die Hauptkirche blieb. Johann Jakob Schmid, um 1710 Diakon in Tuttlingen, schreibt voller Stolz: „Ist also diese Kirch älter als das jetzige Münster zu Strasburg, welches erst Ao Dmi 1015 zubawen ist angefangen worden.“

Die Kirche hatte zwei Altäre, einer war den Patronen Petrus und Paulus, der andere Unserer Lieben Frau geweiht. Peter Wezel, genannt Strölin, war der Stifter des Peter- und Paulsaltar, den er mit dem Jägerischen Zehnten versah. Auch dem heiligen Sebastian wurden jährlich an seinem Festtag 30 Kreuzer von Hans Teufel gegeben. Die Kirche profitierte neben der Zehtquart auch von den „Capellenwisen“.

1558 wurde das erste Taufbuch angelegt, in dem der damalige Pfarrer auch wichtige Vorkommnisse aus dem ganzen Land notiert hatte. Schmid gibt uns in seiner Landesbeschreibung Kenntnis von Teilen der liturgischen Ausstattung der Kirche: 1590 wurden auf Veranlassung des Pfarrers Joh. Sartor zwei Kannen für den Altar hergestellt, eine davon war mit Bibelzitaten (Die Starken dürfen des Arztes nicht; So sehe mich an in Noth; Wer von Gott ist der hört; Matt. II Kommt her zu mir alle) und dem Tuttlinger Wappen versehen, die Verzierung der anderen bestand aus folgendem eingravierten Text: Ich hab betracht, da ich die Kanten macht, was die Frucht gilt, der 1 brachen in dem Jahr galt 1 Viertel Kernen xii batzen Würtembergerisch 1590. Dann folgte das württembergische Wappen, unter diesem ging der Text weiter: Galt 1 vtl gersten x batzen und havern v batzen. In dem Jahr galt ein Mas Wein 3 batzen, 1 Mas Bier 5. kr. Um den Fuß stand: 1590 In dem Jahr war ein grosse Noth, mancher hat kein gelt und auch kein Brod. 1590 der Zeit war der Edel und vöst Junker Jerg von Ulm Obervogt zu Duttlingen.

Die älteste Kunde von Baumaßnahmen an der Peter- und Paulskirche stammt aus dem Jahr 1584, als der Kirchturm renoviert und ein neuer Turmabschluß (Hahn, Stern und Knopf) aufgesetzt wurde. Der Kirchturm erhielt 1608 ein neues Geläut. Die größere der beiden neu gegossenen Glocken hatte folgende Aufschrift: Extra Ecclesiam * Salus nulla * H.W. Scheer de * Schwarzenburg * Praefectus superior * Tuttlingensis * M.DC.VIII * Mag Martinus Kerner * Specialis et Pastor * Tuttlingensis * M.DC.VIII und auf der anderen Seite: Ps. XXXI * In manibus Domini * Tempora mea * Ubi Iustitia * Ibi Concordia * Mich: Gelzer Cellerarius * Tuttlingensis * M. DC.VIII. Die Inschriften der kleineren Glocke unterschieden sich nur bei der Nennung des Kellers: De absentibus * nil nisi bene * Mich: Gelzer, Cellerarius * Tuttlingensis* M. DC.VIII * Non haberi sed esse. Die dritte Glocke war alt, mit folgender Inschrift: Cirellus Eps in Alexandria positus fugat Ionitrua humano generi notiva; die vierte Glocke, die das Geläute vervollständigte, stammte aus der Martinskirche und hatte die Inschrift:O Rex glo. + S. Lucas S. Marcus S. Mattheus S. Johannes. Zwischen den Inschriften auf den beiden neuen Glocken hatte sich der Glockengiesser Joh. Henricus Lamprecht aus Schaffhausen verewigt. Schmid erwähnt über ihn: „Man sagt dieser Glokengiesser habe Ertz vor sich behalten wollen, dahero als Er die grosse Glok gegossen habe dise keinen Crantz bekommen, da mit habe er sie nochmal umgiessen müssen.“

Lamprecht gilt als einer der bedeutendsten Glockengießer in der Schweiz. Nach Lehr- und Gesellenjahren in Italien ließ er sich in der Werkstatt seines Vaters in Schaffhausen nieder. Eines seiner Meisterwerke, die „Protestglocke“ von 1605 im Schaffhauser Allerheiligenkloster gilt als die schönste Glocke der Schweiz. Sie ist auch wegen der betont protestantischen Inschrift berühmt. Der berühmten Glockenspruch vivos voco, mortuos plango, fulgura frango (Die Lebenden rufe ich, die Toten beklage ich, die Blitze breche ich), der sich auf vielen mittelalterlichen Glocken findet und den auch Schiller in seinem Gedicht von der Glocke verarbeitet hat, erinnert mit dem „Brechen der Blitze“ noch an die den „Wetterglocken“ früher zugesprochene Kraft, Unwetter zu bändigen. Die neue Kirchenobrigkeit setzte dem die protestantisch abgewandelte Form entgegen: Fulgura non frango nec plango morte peremptos, aes ego viventes ad pia sacra vocans (Die Blitze breche ich nicht und beklage nicht die Toten. Erz bin ich, das die Lebenden zum Gottesdienst ruft). Auch die Tuttlinger Glocken zeugen mit ihren hauptsächlich politischen Inschriften, der Nennung von Obervogt, Keller und Pfarrer, von einer ähnlichen Haltung.

Während des Dreißigjährigen Krieges kam aus der Kirche vieles in Abgang, die häufigen Plünderungen und Brandschatzungen ließen in Tuttlingen kaum etwas an Wert zurück. Junker Johann Dietrich von Karpfen, der während des Dreißigjährigen Krieges die Stadt nicht verlassen und „sehr vil ausgestanden“ hatte, hatte gelobt, sobald der Frieden käme, für die Kirche eine neue Orgel sowie die Bezahlung des Organisten zu stiften. 1655 löste er sein Gelübde ein. Doch bevor an den Einbau einer neuen Orgel zu denken war, wurde die Kirche, „weil sie ziemlich in abgang war“, renoviert und neu ausgemalt. Dies geschah im Jahre 1680, der Schreiner Bartholomäus Scherkendinger verfertigte eine neue Kanzel. Die Brüstung der Empore wurde mit 56 gemalten Tafeln mit biblischen Geschichten geschmückt.

1684 wurde dann die von Johann Dietrich von Karpfen gestiftete Orgel eingebaut. Für den Neubau wurde mit dem Stuttgarter Hoforgelmacher Johann Jakob Fesenbeckh ein bedeutender Meister seiner Zeit gefunden, auch deshalb, weil aufgrund herzoglicher Verordnung vom 2. Mai 1673 nur noch der Hoforgelmacher alle Orgelneubauten, Reparaturen, Vergrößerungen, Versetzungen und dergleichen überwachen und einen geeigneten Orgelmacher mit der Arbeit beauftragen durfte, um die Gemeinden vor betrügerischen ohnerfahrenen Orgelmachern und dergleichen Stümpplern zu bewahren. Das Werk schlug mit der stattlichen Summe von 630 fl zu Buche, wozu noch 300 fl für den „Kasten“ und Fuhrlohn kamen. Fesenbeckh war seit April 1673 Hoforgelmacher in Stuttgart und starb dort am 11. 11. 1696 im Alter von 66 Jahren. Bereits 1668/69 hatte er mit seinem Amtsvorgänger und Schwiegervater Hans Georg Ehemann eine neue Orgel für die Stuttgarter Stiftskirche gebaut. Weitere Werke des Orgelbauers fanden sich in Backnang, Leonberg, Balingen, Herrenberg, Markgröningen, Hildrizhausen, Liebenzell (von der der Prospekt noch vorhanden ist), Bebenhausen und Tübingen.

1672 machte der Kommandant von Hohentwiel, Johann Georg Widerholt eine Stiftung zur Erhaltung der Orgel. Die Fesenbeckh-Orgel tat ihren Dienst bis zum Stadtbrand 1803. In knapp 120 Jahren hatte sich aber der musikalische Geschmack geändert und die ursprünglich für eine kleinere Kirche konziperte Orgel wurde mit ihrer barocken Disposition als „für den großen Tempel zu klein“ empfunden, auch wurde ihre räumliche Anordnung innerhalb der Kirche bemängelt.

1688 wurde die Kirche vom Blitzschlag getroffen, was aber zu keinem größeren Schaden führte, nur ein Balken war zersplittert. 

1699 musste die Kirche erweitert werden, „weil die zanksüchtigen Weiber sich nimmer in den Kirch Stülen betragen konten und ohnedas die Kirch zimbl. klein war für die zunehmenden Zuhörer“. Man plante einen Anbau an einer Seite des Kirchenschiffes. Als man aber während der Baumaßnahmen feststellte, daß die Mauern insgesamt durch einen vor langer Zeit geschehenen Brand (vermutlich einem der vielen Brände, die in Tuttlingen während des Dreißigjährigen Krieges gewütet hatten) stark in Mitleidenschaft gezogen und baufällig war, entschied man sich dafür, auch an der anderen Seite einen Erweiterungsbau zu errrichten. Nach Abschluß der Arbeiten hatte die Kirche somit einen kreuzförmigen Grundriß. Der Erweiterungsbau war 1701 fast vollendet, die Bauarbeiten kamen aber bedingt durch den Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges ins Stocken. Insgesamt wurden gegen 8000 fl verbaut. Der 1703 verstorbene Dekan Baldenhofer stiftete in die Kirche einen neuen Altar und zusammen mit seiner Gattin zwei Altartücher aus rotem Taffent. Der Schlosser Johannes Reichlen verfertigte die Altarverzierung aus Schmiedeeisen und das Turmkreuz.

Während der Konjunktion der französischen und bayerischen Truppen 1703 in Tuttlingen diente die Kirche auch als katholisches Gotteshaus für das anwesende Militär: Dieser Zeit hat man Meß in der Kirch gehalten welches einen theils ein stück war, weil die Pfaffen selbsten gar wol Achtung gaben damit niemand nichts raube oder verletze in der Kirch, wie sie dan selbst die leuth nach verrichteter Meß ausgetrieben und fleissig beschlossen haben. Es haben aber absonderlich die Officiern diese Kirch als ein schön gebäu in Ehren gehalten und gesagt daß Sie dergleichen in Frankreich nicht gesehen hetten.

Der Kirchturm, der durch Regen und „Scherrmüswerk“ stark gelitten hatte, sollte 1712 instand gesetzt werden. Da aber die Kasse des Spitals durch den gerade erfolgten Kirchenerweiterungsbau leer war und die ortsansässigen Handwerker über 200 fl für das Restaurieren und Wiederanbringen des Turmabschlusses wollten, blieb dieses Vorhaben bis 1718 liegen, als ein durchreisender Kesselflicker, Johannes Falb aus Pleidesheim, sich anbot, den Turmabschluß für 15 fl herzustellen. Für die Vergoldung sorgte ein Maler aus Mühlheim. Ein Schriftstück mit der Schilderung dieses Vorganges wurde zum dauernden Andenken in einer Kapsel in die Kugel des Turmabschlusses eingebracht.

Dekan Hochstetter hatte einen eisernen Ofen in die Sakristei gestiftet und gab bei seinem Tod am 2. Juli 1730 150 fl ins Spital, von deren Zins jährlich 2 fl 30 kr für ein gutes Buch in die Kirchenbibliothek verwendet werden sollten. Diese Bücher sind in einem Kircheninventar von 1744 aufgelistet. Dieses verzeichnet auch die ärmliche Ausstattung der Kirche. Es waren gerade zwei silberne Kelche vorhanden. Weiter findet man in der Auflistung mehrere zinnene Kelche und Kännchen, alte und zerrissene Chorhemden und Altartücher. Sogar das alte und nicht mehr brauchbare Bügeleisen in der Mesnerwohnung ist aufgeführt.

Die letzte Beschreibung der Peter- und Paulskirche gibt das 1804 gedruckte Magazin für Tuttlingen: Die Kirche stand für die meisten Einwohner nicht bequem am südwestlichen Ende der Stadt, zum Theil selbst an der RingMauer. Ihr Aeusseres versprach nicht viel, und doch konnte man sie unter die schöneren Kirchen des Landes zählen. Sie hatte viel Licht, und wurde durch ihre schöne gewölbte GypsDeke noch heller. Um den Altar und TaufStein her waren künstliche Einfassungen von EisenGittern mit Laubwerk; die Brüstungen an den Emporkirchen waren durchaus mit biblischen Vorstellungen bemahlt. Die Kanzel war nicht gerade schön, aber so gestellt, daß man den Prediger von jedem Stand aus sehen konnte. Mitten in der GyppsDeke hatte man eine UhrTafel angebracht, deren Zeiger mit der ThurmUhr in Verbindung stand. Auf dieser Tafel konnte man also sehen, wie viel Uhr es war, und hören konnte man dis von 2 Gloken, die unter dem steinernen Bogen, der das Chor vom Schiff der Kirche trennte, befestigt waren. Zwei geschnitzte EngelsFiguren gaben, vermög ihrer von dem ThurmUhrWerk in Bewegung gesezten Arme, die Viertel- und gantzen Stunden durch Hammerschläge an. Die Orgel hatte, ausser den Gebrechen ihres Alters noch den Fehler, daß sie für den großen Tempel zu klein, und in demselben auch nicht gut angebracht war. Der schlechteste Teil der Kirche war, was gewöhnlich der Fall ist, die Sakristei. Das KirchenDach, welches von einem künstlich eingerichteten Hängwerk getragen wurde, zeugte von der Geschiklichkeit seines Baumeisters. Der KirchThurm war klein, und stimmte nicht recht zum ganzen Gebäude. Er hatte 4 Gloken. Anfangs war diese Kirche, wie man wissen will, eine den Aposteln Peter und Paul gewidmete Kapelle, und wurde erst nach der Hand zu einer PfarrKirche eingerichtet. Am KirchThurm stand die Jahrzahl 1006 eingegraben.

Die Peter- und Paulskirche wurde beim großen Brand der Stadt Tuttlingen vollständig zerstört. Nur das alte schmiedeeiserne Turmkreuz blieb erhalten.


St. Johannes auf Aichhalden

Neben den beiden Kirchen in und bei der Stadt war die wichtigste kirchliche Niederlassung auf Tuttlinger Gemarkung Kirche und Bruderhaus St. Johannes auf Aichhalden. Nachrichten über diese Niederlassung haben wir heute nur noch aus den öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten. Aichhalden war mit stattlichen Gütern an Wäldern, Äckern und Wiesen ausgestattet, was immer wieder Begehrlichkeiten erweckte. „Closenn äkker“ fanden sich in allen drei Öschen um die Stadt.

1471 fand eine Auseinandersetzung über den anfallenenden Zehnten zwischen den Erben Werli Martins und den Pflegern der Klause statt. Das Gericht des Reichenauer Abtes Johannes Pfuser von Nordstetten (Abt 1464-1492) entschied schließlich, daß das Gotteshaus Aichhalden seit langem zehntfrei gewesen und somit zu keiner Zahlung an die Familie Martin verpflichtet sei. Auch 1490/91 waren die Besitztümer der Klause Gegenstand von Auseinandersetzungen, nach Schlichtung durch Tuttlinger Bürger wurden die Grenzen des Besitzes festgeschrieben, um weiteren Auseindersetzungen vorzubeugen.

Doch Geschichte und Bedeutung der Aichhalder Klause bestehen in mehr als diesen Besitzstreitereien. Wann diese klösterliche Niederlassung gegründet wurde ist unbekannt, sie wird als sehr alt gebäw bezeichnet, auch über ihre ursprüngliche Größe und Ordenszugehörigkeit läßt sich nur spekulieren. Die ältere Literatur sieht in ihr eine Niederlassung des Reichenauer Klosters, während in neueren Arbeiten auch eine Verbindung mit der Johanniterkommende in Schwenningen, die Mitte des 13. Jahrhunderts durch Schenkung etliche Güter in Tuttlingen und Umgebung erhielt, diskutiert wird.

St. Johannes auf Aichhalden war zunächst eine dem heiligen Johannes dem Täufer geweihte Kapelle, neben der eine Bewohnung für einen Bruder, der für die Kapelle zuständig war, gebaut wurde. Auch nach Abgang der Klause wurde der Inhaber des Aichhalder Hofes von den Tuttlingern noch lange scherzhaft als ein Bruder von Aichhalden bezeichnet. Aichhalden hatte eine florierende Wallfahrt, deren Ziel das sich in der Kapelle befindliche geschnitzte Haupt- und Brustbild Johannes des Täufers war.

Mit der Einführung der Reformation in Tuttlingen kam die Klause in Abgang, das verehrte Heiligenbild wurde aber von den Papisten vom nahe gelegenen Flecken Emmingen hinweggetragen und in ihren Tempel versetzet, wo es mit einem Chorhemd bekleidet weiter gezeigt wurde. Weil aber die Verehrung des sogenannten „Jannahöple“ (Johanneshäuptlein) nachließ, so sei das Bild davongelaufen und habe an einem vorbeifließenden Bach die Nacht hindurch bitterlich geweint, bis es vom Pfarrer wieder zurück in die Kirche geholt wurde. Wer aber seither Wasser aus diesem Bach trank, der blieb von Zahnweh verschont. Das Johannesbild befindet sich heute nicht mehr in Emmingen, über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Die Kapelle wurde nach ihrer Säkularisation zu einem Wohnhaus umgebaut, der Herd dieses Hauses wurde der Sage nach aus Bruchstücken des Altares gemauert. In diesem Herd könne jedoch kein Feuer angezündet werden, es erlösche sofort wieder. Ein späterer Tuttlinger Pfarrer kommentierte dieses mit den Worten: weil aber die Erfahrung uns ein anders lehrt so bleibts ein gedicht.

Aichhalden ging in den Besitz des Tuttlinger Armenkastens oder des Spitals über, es taucht im Spitalbuch von 1575 und 1658 auf. Der Besitz wird in beiden Fällen als alt Bruderhäuslein auf Aichhalden bezeichnet. Dem späteren Spitalbuch ist ein Kaufvertrag beigefügt. Thomas Brandthof erwarb 1629 den Aichhalder Hof für 1450 fl als Erbgut. Er wird als Behausung, Scheuer und Backküche beschrieben. Ausdrücklich wird in dem Vertrag erwähnt, daß die Rossbuben oder wer sonst vom Regenwetter ergriffen sich wie bisher in der Stuben unterstellen dürfen.


Sonstige Kapellen und kirchliche Niederlassungen in und um die Stadt

Kenntnis von anderen Kapellen und kirchlichen Orten um Tuttlingen haben wir heute nur noch durch die Flurnamen. Ein auch heute noch bekannter gebräuchlicher Flur- und Strassenname im Gebiet der überbauten Stadt ist „Hinterm Bild“. Schmids Landsbeschreibung überliefert: Über das sind auch kleine Capellen um Duttlingen herum gestanden als eines jenseit der bruck unser frawen bild genannt, darin auch Meß gelesen, villeicht an dem Orth wo jetz das Siechenhaus steht. Diese Kapelle war nach der Güterbeschreibung von etwa 1500 mit einer kleinen Pfründe versehen.

Schmid nennt noch folgende Kapellen um die Stadt Tuttlingen:

Bey der Zürgelhütten ain Capellin. (Die Ziegelhütte befand sich im Gebiet am Beginn der Balinger Straße in Höhe des Bahnübergangs.)
In der Kirchgaßen eine an einem Scheidweg da man rechter Hand auf Aichhalden linker hand aber Liptingen zu geht war das Muskorbs Bild genannt. (Die Kirchgasse oder Kirchenweg war das Gebiet rechts der Stockacher Strasse, genannt nach der Richtung zu St. Martin, der Scheidweg scheint die Abzweigung der Witthohsteige von der Strasse Richtung Liptingen gewesen zu sein.)
Item das Schätzlins Bild. Item das Caspars Bild. Item das Schnellers Bild.
Die Reformation bedeutete auch das Ende dieser Kapellen. Teils gerieten sie in Abgang, teils wurden sie auf Abbruch verkauft.

Nach Schmids Chronik soll sich im Unteren Kehlhof auch eine Bruderschaft des Klosters Reichenau befunden haben: Das Closter hat auch das Capitul hier gehalten, so aber nach der Reformation gen Wurmlingen ist verlegt worden. Es war eine Bruderschaft hier, deren Catalogus noch zu Wurmlingen jährlich verlesen wird.

Im Jahr 1320 wird im Zusammenhang mit einer Reichenauischen Schenkung eine Kindsklause genannt. Aus der Urkunde geht hervor, dass der Reichenauer Keller zu Tuttlingen drei Klausnerinnen mit Wiesen und Äckern und einer Hofstatt außerhalb des Kirchhofs vor der Klause belehnt hat. Als Insassen der Klause werden genannt: Mathilde von Rietheim, Adelheid Konrad von Tuttlingen und Mathilde von Heudorf. Anno 1471 wurde die Klause zu Tuttlingen als reichenauisches Lehen bezeichnet und der Pfarrkirche zu Tuttlingen inkorporiert.  Wo sich diese Klause befand, ist nicht mehr feststellbar. Daß sie mit der Entstehung des späteren Spitals in Zusammenhang steht ist nicht auszuschließen. Forderer setzt diese Klause einer Beginenklause gleich, also einer Niederlassung von frommen Frauen ohne Ordensbindung.