zurück zur Hauptseite
Festung Honberg
Stadtschloss
Obervögte in Tuttlingen
Grenzfestung
Tuttlingen im 30jährigen Krieg
Kirchliche Verhältnisse vor dem Stadtbrand
Spanischer Erbfolgekrieg
|
Am 6. September 1634, in der Schlacht bei Nördlingen, wurden die
Schweden und ihre Verbündeten (darunter auch Württemberg) von den
kaiserlichen Armeen vernichtend geschlagen. Vom gesamten
württembergischen Landesaufgebot von über 6000 Mann fielen zwei
Drittel. Tags darauf verließ der württembergische Herzog Eberhard
fluchtartig und überstürzt sein Land und begab sich ins Exil nach
Straßburg. Erst am 30. Oktober 1638 würde er sein Land wieder betreten.
Das führungslose Land wurde von kaiserlichen Truppen innerhalb weniger
Tage erobert und gebrandschatzt, die Bergfestungen außer dem Hohentwiel
fielen; die Existenzgrundlagen des Landes, Weinbau und Landwirtschaft,
und wichtige Produktionszweige (Tuchfabrikation in Calw,
Leinwandherstellung in Urach) gingen zugrunde; die Einwohnerschaft
wurde ausgeplündert, drangsaliert und durch eingeschleppte Seuchen
dezimiert. Wirtschaftlicher Niedergang, Hungersnot, Seuchen und
Bevölkerungsrückgang prägten die nachfolgenden Jahre.
Schon bald nach der Schlacht von Nördlingen nahm Erzherzog Ferdinand
III. eine Reihe von Donationen württembergischer Gebiete als
Belohnungen oder Kriegsentschädigungen vor. Die rechtliche Begründung
sah er darin, dass der württembergische Herzog, da er sich am Krieg
gegen den Kaiser beteiligt hatte, seine Reichslehensansprüche an
Württemberg verwirkt hatte. Einer der fähigsten Diener des Hauses
Habsburg, Graf Heinrich von Schlick, erhielt durch kaiserliches Dekret
vom 30. Juni 1635 die südlichen Ämter Tuttlingen, Balingen und
Rosenfeld als Eigentum, wozu dann bei der Übergabe noch die Stadt
Ebingen gezogen wurde.
Heinrich von Schlick - biographische Notizen
Heinrich Schlick wurde um 1580 in Eger als Sohn des Georg Ernst und
seiner Gattin Maria Sidonia Colonna von Fels geboren und in der
lutheranischen Tradition seiner Familie erzogen. Er hatte sich von
Jugend an aller Adelicher und Ritterlicher Tugenden, auch underschidlicher Sprachen beflissen.
Trotz seiner protestantischen Konfession trat Schlick im Alter von 17
Jahren in kaiserliche Dienste und kämpfte unter Basta in Ungarn.
Vermutlich 1604 wurde er Offizier in spanischen Diensten und kämpfte in
den Niederlanden, wo er einen Achseldurchschuß erlitt. Nach Abdanken
des Regiments unternahm er eine Reise durch Frankreich und trat von
1609-1610 wieder in kaiserliche Dienste in Jülich und im Elsass. Danach
führten ihn seine Reisen durch Frankreich, England und die Niederlande,
wo er Geometrie, Mathematik und waß darzu gehörig, neben andern
Adelichen und Ritterlichen Exercitien studierte. 1614 nahm er Dienst in
Pfalz-Neuburg, im Jahr darauf wieder in Spanien und 1616 beim Herzog
von Braunschweig, wo er 500 Reiter in vier Kompanien als Obristleutnant
kommandierte. Von dort zog er in die Niederlande, 1617 war er in
Italien und focht in der Armee von Don Pedro di Toledo gegen den Herzog
von Savoyen. Mit dem Beginn des Aufstandes in Böhmen kehrte Schlick in
seine Heimat zurück und im Frühjahr 1619 erhielt er das frühere
mährische Regiment Albrecht von Wallensteins.
Schlick
kommandierte sein Regiment in Mähren, er kämpfte in Österreich in
Thurns Armee und nahm unter der Kommandantur von Kinski an der
Verteidigung von Dampierre an der Weitra am 13. November 1618 teil. Im
Mai und Juni 1619 lag er wieder mit Thurns Armee vor Wien. Er war unter
denen, die auf protestantischer Seite bei der Schlacht am Weißen Berg
am längsten aushalten konnten und wurde gefangen genommen.
Im Februar 1621 wurde Schlick als Oberst über ein Regiment zu Fuß von
zehn Kompanien auf fünf Jahre in kaiserliche Dienste genommen. Er
konvertierte zum katholischen Glauben und heiratete am 21. Februar 1623
Anna Maria von Salm-Neuburg (1598-1647), die ihm im Verlauf der Ehe
zwei überlebende Kinder schenkte, Franz Ernst und Maria Sidonia. 1625
zog Schlick als Generalfeldzeugmeister unter General Wallenstein gegen
den niedersächsischen Kreis und Dänemark. Als Vorhut Wallensteins
eroberte er mit elf Regimentern innerhalb von 16 Tagen Magdeburg und
Halberstadt, Wallenstein zog nach und nahm Winterquartier in diesen
Orten. Schlick zog auf Befehl Wallensteins nach Schlesien, Ungarn und
Siebenbürgen und geriet in ungarische Gefangenschaft, aus der er sich
gegen Zahlung von 8000 Reichtalern loskaufen konnte. Auf dem Rückweg
zum kaiserlichen Hof ist ihm unterwegens
ein allergnedigistes Handbrieffel von Ihrer Kays. May. zukommen, daß
sie ihme allergnädigst zu ihrem Feldtmarschalcken erkohren, ob er zwar
sich dessen bey ihrer Kays. Mayest. zum höchsten entschuldiget, so
haben doch Ihr. Kayserl. May. auff seiner Persohn bestendig beharret,
und er sich auch letztlich sich Ihrer Kays. May. allergnädigisten
Willen accomodirt. Der neu ernannte Feldmarschall sorgte mit seinem
vorgesetzten General Wallenstein dafür, dass die Dänen das von ihnen
besetzte Schlesien innerhalb zweier Monate räumen mussten und zog ihnen
mit 8000 Pferden nach Norddeutschland nach. Er vereinigte seine Truppen
mit denen von Herzog Georg von Lüneburg und denen von General Tilly und
eroberte Holstein, Dietmarschen, Schleswig und Jütland. Anschließend
sah er seine Aufgabe darin, den Markgrafen von Durlach zu besiegen. Bei
einem ersten Treffen kam Schlick ihm so nah, dass man aus des Graff
Schlicken Läger mit Stucken in ein Theil des Marggraffen Läger hat
schiessen können. Der Markgraf sah sein Heil nur noch in der Flucht und
zog sich nach Heiligenhafen an die See zurück. Schlick ließ ihm seine
Truppen bei Nacht folgen und bei Tagesanbruch standen sie sich
gegenüber. Das Theatrum Europaeum, das große Werk über die Geschichte
des Dreißigjährigen Krieges schreibt: Under solchem Verlauff ist
zwischen dem Marggraffen von Durlach und dem Graffen Schlick in
Holstein ein hartes Treffen vorgangen, darbey der Marggraff den
Kürtzern gezogen, auffs Haupt geschlagen, all sein Geschütz in 32
Stück, 43 Fahnen und sonsten stattliche Beuthen ihm abgenommen, und
dadurch gantz Holstein in Kaysers Gewalt gebracht worden. Der Marggraff
hat sich mit etlich wenig Officierern zu Schiff begeben und mit der
Flucht salvieret: der Rest der Armee aber hat sich unter die
Kayserische undergestellt. Nach erfolgter Besetzung Schleswigs und
Jütlands sorgte Schlick noch durch Besetzung verschiedener Festungen
für Stabilität in dieser Region und zog sich dann auf seine Güter in
Böhmen zurück.
Heinrich Schlick war einer der fähigsten
Feldherren in kaiserlichem Dienst während des Dreißigjährigen Kriegs.
Mit dem Sieg über die Dänen bei Heiligenhafen und durch seine
bemerkenswerteste Tat, der außergewöhnlich schnellen Eroberung Jütlands
1627, die ohne Parallele in der Kriegsgeschichte ist, machte er sich
einen Namen als Feldherr. Er war einer der wenigen Kommandanten seiner
Zeit, die vollständig verstanden hatten, welche großen Vorteile aus der
schnellen und unerbittlichen Verfolgung eines bereits besiegten Feindes
zu ziehen waren und der die Kraft und Fähigkeit dazu hatte, solch eine
Kampagne durchzuziehen. Es ist daher verwunderlich, dass er, nachdem er
den dänischen Widerstand 1627 gebrochen hatte, seine aktive
militärische Laufbahn nicht weiterverfolgte. 1630 quittierte er
endgültig den Dienst und zog sich auf seine Güter in Böhmen zurück. Im
September dieses Jahres wurde Wallenstein der Kommandatur enthoben.
Schlick wurde gebeten, als Generalfeldmarschall unter Tilly wieder zu
Felde zu ziehen, aber er lehnte ab. Es gab damals fast keine Männer,
die die Qualifikation zum Führen der kaiserlichen Armee hatten. Graf
Schlick, ein wertvoller Hauptmann und höchst geschätzt, wünschte aber,
für sich in Ruhe zu leben und nicht zu dienen.
1632 wurde Schlick zum Präsidenten des kaiserlichen Hofkriegsrats bestellt, ein Amt, das er bis 1649 innehatte. Und
wiewol es ihme zimblich schwer gefallen, sich bey Hoff einzulassen, so
hat er sich doch uberwunden, und seinen allergnädigsten Kayser und
Herrn (der zu ihm ein allergnädigstes Vertrauen trueg) nicht auß Handen
gehen wollen, sondern disen ihm aufgetragenen Befelch underthanigst
acceptiert.
Mit Schlicks Bestellung wurde ein Amt
wiederbesetzt, das seit dem Tod Collaltos Ende 1630 verwaist war. Ob
diese Bestellung auf Vorschlag oder Bitten Wallensteins geschah, der
Anfang 1632 wieder Generalissimo der kaiserlichen Truppen wurde, ist
unklar. Eine unverständliche Passage in einem Schreiben vom 12. April
1632, das Johann Ulrich von Eggenberg als Leitfaden für seine
Verhandlungen mit Wallenstein mitgegeben wurde, scheint anzudeuten, das
die Bestellung Schlicks als Hofkriegsratspräsident von Wallenstein
gewünscht war. Zum Geheimen Kaiserlichen Rat wurde er fast sofort nach
seiner Bestellung zum Präsidenten des Hofkriegsrates zugelassen.
Der Ruf, den Schlick sich als aktiver Kommandant und durch seine
Verwaltungstätigkeiten erwarb, war ein beträchtlicher. Er hatte
anscheinend ein bemerkenswertes Gedächtnis, was geographische und
personelle Angelegenheiten betraf: Es
hat Graff Schlick zu einem so vornemben Kriegshaubt auch diese Gnad von
GOtt, daß er ein solche vollkombne Gedächtnuß, daß er in gantz Teutsch-
und Niderlandt, auch Ungarn und andern Königreich und Ländern, wo er
gewesen, alle Päß, Stätt, Flecken, Flüß und Bach, auch alle Obriste und
Befelchshaber kent, daß er sie alle mit Nahmen nennen, darvon, als wann
ers gegenwertig zaigen solt, diseurieren und relation thun kann, so
weiß er auch, zu wem ein und der ander Obrist und Officierer
zubrauchen, wie weit sich sein Verstandt, Valor und Erfahrenheit
erstreckt, und kann man ihm diß Prae vor andern seiner profession gewiß
geben.
Am 28. September 1643 wurde Schlick durch den
spanischen König Philipp IV. in den Ritterorden des Goldenen Vlieses
aufgenommen und von Kaiser Ferdinand III. damit bestätigt. Die
diplomatischen Fähigkeiten Schlicks waren begehrt, Philipp IV. verwies
seinen nach Deutschland geschickten Botschafter, den Herzog von
Terranova, an ihn, sich seines Raths in allen Vorfallenheiten und guter
Correspondenz zugebrauchen. Schlicks Redlichkeit und sein Arbeitseifer
waren äußerst geschätzt: so
hat er auch im Römischen Reich ein solchen Credit, dass ihn Chur:
Fürsten und Ständt lieben und vertrawen, und sein Redligkeit im Hertzen
und Gemüth hoch halten, seines Herrn Dienst eyferet er so sehr, dass er
auch darinnen nicht dissimuliern kann, dass ihm offt zu Zeiten schelche
Augen verursacht.
Heinrich Schlick starb im Alter von
70 Jahren am 5. Januar 1650 als Feldmarschall, Geheimrat, Kämmerer,
Präsident des Hofkriegsrates und Träger des goldenen Vlieses.
Heinrich von Schlick als Herr über Tuttlingen und die südlichen Ämter Württembergs
1635 war im Kriegswesen des dreißigjährigen Krieges für Tuttlingen ein
besonders schweres Jahr. Zu allem anderen Elend des Krieges kam noch
die Pest. Am 5. Oktober wurden 14 Menschen gleichzeitig begraben,
insgesamt starb in diesem Jahr wohl mehr als die Hälfte der damaligen
Bevölkerung. Viele suchten ihr Heil in der Flucht, vor allem nach
Schaffhausen und Diessenhofen, aber auch in andere Orte der Schweiz.
Die verbliebenen Tuttlinger wandten sich an die Geflohenen, sie sollten
sie nicht vergessen und vor allem ihren Steuerverpflichtungen
nachkommen. Die in der Stadt gebliebenen, verarmten Bürger, die mit Worten und Schriften nicht anzudeutende Beschwernisse auszustehen haben und in ihrer Leibesnahrung bedroht und beinahe völlig ruiniert seien, hätten dafür gesorgt, dass das Städtlein nicht längst zu Grund und Asche gerichtet worden sei. Während jene in Freud, Ruhe und Sicherheit leben, schwebten sie hier Tag und Nacht in höchster Angst und Gefahr.
Der Erfolg dieses Schreibens blieb jedoch aus. Dass diese Leute ihre
Heimat verlassen hatten, hatte noch einen anderen Grund, und der war
religiöser Art.
Am 12. November 1635 nahm Graf Schlick sein
kaiserliches Geschenk durch Graf von Wolckenstein und den
kaiserlich-württembergischen Regimentsrat und ehemaligen Tübinger
Professor Besold in Balingen in Besitz und Huldigung. Schlick selber
betrat das neu erhaltene Gebiet nie.
Durch den Übergang der südlichen württembergischen Ämter an Schlick
veränderten sich sämtliche Fronten, vor allem für das befestigte
Tuttlingen. War es vorher württembergisch-protestantisch und somit auf
französisch-schwedischer Seite, fand es sich danach unter dem
österreichischen Hofkriegsratspräsidenten trotz seiner protestantischen
Bevölkerung plötzlich auf katholischer, kaiserlich-bayerischer Seite
und wurde im folgenden zu einem wesentlichen Stützpunkt der
Kaiserlich-Bayerischen im Kampf gegen den schwedisch-württembergischen
Feind, der vor allem auf dem Hohentwiel fest installiert war.
Schlick ließ die bisherige Verwaltung im großen und ganzen bestehen, er
ließ auch die Beamten in ihren Stellen, wenn sie sich nicht direkt
gegen ihn stellten. Er erwirkte beim Kaiser einen Sicherheitsbrief für
Tuttlingen, der die arg gebeutelte Stadt von Einquartierungen befreien
sollte. Der Wert solcher Schreiben war äußerst gering, doch die Bürger
setzten jede Hoffnung auf sie.
1636 hatte Tuttlingen trotz des Schutzbriefes eine bayerische Besatzung
von 100 Reitern und 60 Mann Fußvolk, die den strategisch wichtigen
Donauübergang schützen sollte. Deren Verpflegung war für die dezimierte
und verarmte Bürgerschaft alles andere als leicht, und zu allem Übel
breitete sich eine große Mäuseplage aus. Ein unbekannter Chronist
schreibt: Um das Maas des Unglücks noch mehr zu füllen, zeigten sich
kaum vor der Erndte eine so ungeheuer grose Menge Mäuse, daß es öfters
geschahe, einen Acker, der den Abend vorher noch in seiner vollen
Aehren-Pracht dastund, Morgens völlig abgefressen zu sehen. Als man
nachgrub, fand man ganze Haufen, von den Mäusen zusammengetragenes,
Getreide, dessen Genuß jedoch für den Menschen sehr schädliche Folgen
hatte. Das grose Elend dieser zweyer Jahre wirkte höchst zerstörend auf
alle bürgerliche Verhältnisse; es wurde beynahe nicht mehr gearbeitet;
die Gewerbe stunden alle still. Das einzige, was man that, daß man
Abschied von einander nahm und sich gegenseitig das Versprechen gab,
einander zu Grabe tragen zu helfen.
Schlick hatte die Absicht (und als Landesherr sogar das Recht), seine
neuen protestantischen Untertanen wieder zur katholischen Religion
zurückzuführen. Das Pfarramt war seit der Flucht des Dekans Sattler
nach Vaihingen 1635 verwaist, Tuttlingen war daher nur noch mit
unständigen protestantischen Geistlichen versorgt, ein Zustand, den die
katholische Regierung verständlicherweise nicht ändern wollte. Erst
nach 1642, als Tuttlingen wieder von den
württembergisch-französisch-weimarischen Truppen besetzt wurde, trat
der Öfinger Pfarrer Stephan Grötzinger, der in der Zeit der vakanten
Stadtpfarrei Tuttlingen mitbetreute, die Stelle als Stadtpfarrer an. Ob
Tuttlingen während dieser Zeit von katholischen Geistlichen betreut
wurde, läßt sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht eindeutig
belegen, ein landesherrlicher Verzicht auf die Bestellung von
Geistlichen und eine siebenjährige Abwesenheit jeglicher Seelsorger
jedoch scheint zumindest unwahrscheinlich. Zumindest nahm Schlick
Einfluß auf die verbreitete Lehre, so ließ er den Pfarrverweser
Grötzinger am 18. April 1637 durch Befehl seines Obervogts auf das
Ableben des Kaisers eine Leichenpredigt über Daniel 2, 20 und 21 halten
(Er bestimmt den Wechsel der Zeiten und Fristen; er setzt Könige ab und
setzt Könige ein.). Den protestantischen Schwenninger Prediger ließ
Schlick zwar im Amt, wie der Abt des Klosters St. Georgen in Villingen,
Georg Gaisser, berichtet, zahlte ihm aber die ihm zustehenden Anteile
an seinem Zehnten nie aus.
Schlick betrieb jedoch eindeutig die Gegenreformation: In einem
gräflichen Schreiben vom 20. Februar 1637 aus Regensburg an seinen Rat
und Obervogt der Oberämter Tuttlingen, Balingen und Rosenfeld, Johann
Werner von Themar, wurde diesem der Befehl erteilt, die
protestantischen Witwen und Mädchen so viel wie möglich mit
katholischen Männern zu verheiraten, damit die katholische Religion auf
diese Weise wieder ausgebreitet würde. In einer diesem Schreiben
beigefügten Nachschrift wurde der Obervogt durch den gräflichen
Sekretär Martin Meister dringend aufgefordert, kräftig an der
Ausführung dieses Planes mitzuwirken, ihm aber auch gleichzeitig
strengstes Stillschweigen darüber zur Pflicht gemacht.
In den folgenden Jahren wurde der kaiserliche Stützpunkt Tuttlingen
immer wieder von den Schweden besetzt, ihnen und den mit ihnen
verbündeten Württembergern war er seit langem ein Dorn im Auge.
Unmenschliches Mordbrennen und schamlose Plünderungen waren an der
Tagesordnung. Im Dezember 1637 klagte der Gunninger Vogt bei Abt
Gaisser, über Truppen, die im schlickischen Gebiet alles plünderten: Hab
wöllen ein salva guardia dingen, wölle aber dieselbige nit weniger
nemmen alß täglich 1 ½ thaler so ihnen geben unmöglich. Sie seien
deshalb genötigt, ihre Häuser zu verlassen.
1639
erfolgte wieder ein Angriff vom Hohentwiel auf Tuttlingen, der
Hohentwieler Kommandant Konrad Widerholt ließ mehrere kaiserliche
Soldaten niederhauen, führte den Rest gefangen ab und plünderte die
Stadt. Untervogt und Stadtschreiber wurden gefangen gesetzt, die Stadt
geplündert, jedoch der evangelische Pfarrer Grötzinger von der
Plünderung auf Befehl des Kommandanten ausgenommen. Als Folge begann
die Belagerung des Hohentwiel, der Stützpunkt des Infanterieregiments
des bayerischen Obersts Truckmüller lag während dieser ganzen Zeit in
Tuttlingen. Erst 1641 wurde die Belagerung des Hohentwiel als erfolglos
aufgegeben.
Die Einkünfte aus dem von Kriegslasten bedrängten Amt Tuttlingen
erfüllten die Erwartungen des Grafen bei weitem nicht. Deshalb schickte
er 1640 den Leibarzt seiner Gattin, Dr. Johannes Oßwald, mit einer
Beschwerde über die schlechten Einkünfte und die hohen Besoldungen
seiner geistlichen und weltlichen Beamten, die sogar sein eigenes
Einkommen übertrafen, in seine Besitztümer. Doch bei diesem und auch
einem späteren Versuch durch seinen Rat Johannes März erreichte er sein
Ziel nicht, die Einkommen aus dem Amt zu erhöhen.
Auf dem Regensburger Reichstag 1640 bot sich für Abt Gaisser die
Gelegenheit, den nachbarlichen Landesherrn zu treffen. Seine erste
Audienz bei Schlick hatte er am 5. August. Gaisser beschwerte sich bei
Schlick über die Bedrängungen, die er durch dessen Beamte erfahren
musste. Schlick entgegnete ihm, es sei nicht seine Schuld, er habe
mehrfach Anordnung gegeben, das Kloster zu verschonen. Er selber komme
in gleicher Weise schlecht mit seinen Beamten zurecht, in zwei Jahren
habe er kaum zwei Briefe von ihnen erhalten, von den Einkünften aus
seinen Besitztümern wahrlich beinahe nichts. Er wolle den Herzog von
Württemberg bitten, Tuttlingen mit Hornberg tauschen zu dürfen und bat
den Abt um seine Meinung, von welchem Amt die größeren jährlichen
Einkünfte zu erwarten seien. Als Schlick in einer späteren Audienz
wieder diese Frage ansprach, riet ihm Gaisser davon ab. Auf Schlicks
Vorschlag, Tuttlingen statt dessen mit Schramberg tauschen zu wollen,
meinte Gaisser, in Schramberg würden dann seine Einkünfte zu einem
großen Teil von guten Kirchenleuten stammen, woraufhin er den Vorschlag
sofort fallen ließ. Am Ende wurde aus den ganzen Tauschplänen jedoch
nichts.
In weiteren Unterredungen mit dem Grafen von Fürstenberg und anderen
Teilnehmern des Reichstages erfuhr Gaisser, dass sämtliche von Schlick
erwirkten kaiserlichen Mandate nur Makulatur waren. Auch wenn seine
Beamten nicht gehorchten, kümmere man sich am Hofe nicht weiter darum.
Obwohl der von Schlick in seine Besitztümer gesandte Rat Johannes März
seinen Sitz in Balingen hatte, aus Mangel an einer entsprechenden
Residenz in Tuttlingen (das Stadtschloss war 1634 abgebrannt, der
Honberg baufällig), wohl aber auch, weil das befestigte und immer
wieder belagerte und bestürmte Tuttlingen als Regierungssitz ein gar
unwirtlicher Ort war, waren auch dort März und der Obervogt von Themar
nicht sicher. Am 29. Januar 1641 wurden beide bei einem Angriff der
Hohentwieler auf Balingen gefangen gesetzt. Auf dem Rückweg mit seinen
Gefangenen zum Hohentwiel gab sich Widerholt in Tuttlingen ganz als
Freund und Gönner, er kehrte über Mittag im Wirtshaus zum Adler ein und
vertrat zugleich die Patenstelle bei dem Täufling eines Bürgers. Martin
Meister, der Sekretär des Grafen, konnte fliehen und verständigte Abt
Gaisser in Villingen, der sich bei Widerholt für die Gefangenen
einsetzte. Die Amtenhausener Nonne Kunigundis, die am 20. Juli den
Hohentwiel besuchte, berichtete an den Abt: Herr von Themar verkehre
sehr viel mit dem Kommandanten, bei dem er in Gunst stehe und beliebt
sei, nicht so der Kommissar (März), den er nie zu sehen bekam, und den
fast niemand ohne beim Kommandanten anzustoßen, besucht hat. Für
letzteren werde ein Lösegeld von 1000 Taler, für jenen eines von 500
Talern gefordert. Themar betreibe die Freilassung nicht. Die Gefangenen
wurden Ende Oktober oder Anfang November 1641, nachdem Schlick das
Lösegeld bezahlt hatte, freigelassen. März wurde durch Schlick am 3.
November 1641 zum höchsten Verwalter seiner Güter eingesetzt.
Im März 1641 schickten die Tuttlinger zwei Abgeordnete, den
Schultheißen Hans Fischer und den Bürgermeister Johann Conrad Mengern,
zum Grafen Schlick, der sich in München aufhielt, um ihm die bedrängte
Lage der Stadt vorzustellen, ihn um seinen Schutz und die Abstellung
der allgemeinen Beschwerden zu bitten. Schlick erwirkte einen
kaiserlichen Schutzbrief, der aber nicht das Papier wert war, auf dem
er stand.
Auch die nächsten Jahre hatte Tuttlingen unter Eroberungen und
Rückeroberungen zu leiden, Schlick, der sich zwar immer wieder, auch
beim Kaiser, für seine Untertanen einsetzte, konnte von seinen
Besitztümern nicht profitieren. Ab 1642, nach der Eroberung der Stadt
Tuttlingen durch die Hohentwieler Truppen, verlor er schon an Einfluß
auf seine Besitztümer. Die Kaiserlich-Bayerischen konnten Tuttlingen
zwar immer wieder zurückerobern, die Angriffe vom Hohentwiel blieben
aber bestehen.
Württemberg war immer noch bestrebt, die durch die Flucht des Herzogs
verloren gegangenen Teile des Landes zurück zu erhalten. So bot der
Herzog im Mai 1645 dem Grafen das Recht auf eine Hypothek an einem
Bergwerk in Krain, die ungefähr 100 000 Gulden betrug, zur Auslösung
seiner Ämter an. Über Schlicks Reaktion ist nichts bekannt, zu einer
Auslösung kam es jedoch nicht.
Im Jahr 1647, als die Ämter Tuttlingen, Balingen, Ebingen und Rosenfeld
durch französische Garnison schwere Lasten zu ertragen hatten, wandten
sie sich an ihren alten Landesherrn, Herzog Eberhard. Dieser verwendete
sich zwar als mit Frankreich Verbündeter für sie beim Marschall
Turenne, blieb aber erfolglos. Herzog Eberhard fand so aber eine gute
Gelegenheit, sich der verloren gegangenen Ämter wieder zu bemächtigen.
Der Chronist schreibt: Unterm 15ten Apr. 1647 erließ der Gräflich
Schlicksche Unter-Vogt zu Balingen, Hans von Zimmern, von Rottweil aus,
wo er sich damalen aufhielt, ein hartes Schreiben an die Schlickschen
Unterthanen, des Innhalts ,daß er vernommen habe, wie sie anfiengen,
ihrem rechtmäßigen Herrn untreu zu werden, und sich wieder an den
Herzog von Würtemberg anschlößen, und somit ihrer Unterthanen-Pflicht
schändlich vergäßen.
Herzog Eberhard, dem man die Sache vorlegte, erließ am 24. Apr. den
Befehl, daß man dem Unter-Vogt antworten solle, da sie von jedermann
verlassen worden wären, er selbst auch ohne dringende Noth sich
entfernt habe, so habe sich der Herzog ihrer wieder gnädig angenommen.
Kurz darauf hatte der Schrecken des Krieges endlich ein Ende. Schlick
mußte seine Ämter wieder an Württemberg abtreten. Für Tuttlingen waren
die 13 Jahre der Herrschaft Heinrich von Schlicks nach allem, was aus
den erhaltenen Unterlagen zu entnehmen ist, schreckliche Jahre. Das
Grauen des schrecklichsten Krieges, der je Europa heimgesucht hatte,
war hier stärker zu spüren als an anderen Orten des Reiches. Stadt und
Festung Tuttlingen, angelegt zum Schutz der württembergischen
Südgrenze, wurde zu einem wesentlichen Stützpunkt der Habsburger im
deutschen Südwesten. Ein Stützpunkt,der vor allem durch die
Nachbarschaft des württembergischen Machtzentrums Hohentwiel viel Elend
über die Bevölkerung brachte. Konrad Widerholt, der Wahrer
württembergischer Interessen während des Dreißigjährigen Kriegs, war
gezwungen, militärisch gegen seine ehemaligen Landsleute vorzugehen,
sah sich sogar gezwungen, nach Eroberung Tuttlingens am 17. Februar
1645 die Festungswerke um die Stadt niederreißen und den Honberg
zerstören zu lassen, um den habsburgischen Posten in seiner direkten
Nachbarschaft endgültig auszuschalten. Nicht nur, dass die Stadt von
ihrem angestammten Landesherrn entfernt wurde - auch unter
österreichischer Herrschaft fühlte sich die Stadt immer noch
Württemberg zugehörig - auch der von oben angeordnete konfessionelle
Wechsel war für die Bevölkerung schwer zu verkraften.
Auch für Schlick erfüllten sich die in die Vergrößerung seiner
Besitztümer gesteckten Erwartungen nicht. Schlick, einer der
wohlhabendsten Männer in Böhmen, hatte am Ende seines Lebens derartige
Schulden, dass der Großteil seiner Besitzungen, sofern sie ihm nicht
ohnehin weggenommen waren, verkauft oder verpfändet werden mussten. Das
war die Folge seiner exzessiven privaten Ausgaben sowie dem
regelmäßigen Ausfall von Einnahmen aus seinen Besitztümern, was aber
durch die immensen Kriegslasten bedingt war.
Gekürzte Fassung aus:
Rainer
Knörle: Heinrich von Schlick, Reichsgraf zu Passaun und Weisskirchen,
Erbherr zu Balingen, Tuttlingen, Rosenfeld und Ebingen, Tuttlinger
Heimatblätter 67, 55-71 (2004).
zurück zur Hauptseite
|