Heinrich von Schlick, Reichsgraf zu Passaun und Weisskirchen, Erbherr zu Balingen, Tuttlingen, Rosenfeld und Ebingen


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Festung Honberg

Stadtschloss

Obervögte in Tuttlingen

Grenzfestung

Tuttlingen im 30jährigen Krieg

Kirchliche Verhältnisse vor dem Stadtbrand

Spanischer Erbfolgekrieg

Am 6. September 1634, in der Schlacht bei Nördlingen, wurden die Schweden und ihre Verbündeten (darunter auch Württemberg) von den kaiserlichen Armeen vernichtend geschlagen. Vom gesamten württembergischen Landesaufgebot von über 6000 Mann fielen zwei Drittel. Tags darauf verließ der württembergische Herzog Eberhard fluchtartig und überstürzt sein Land und begab sich ins Exil nach Straßburg. Erst am 30. Oktober 1638 würde er sein Land wieder betreten. Das führungslose Land wurde von kaiserlichen Truppen innerhalb weniger Tage erobert und gebrandschatzt, die Bergfestungen außer dem Hohentwiel fielen; die Existenzgrundlagen des Landes, Weinbau und Landwirtschaft, und wichtige Produktionszweige (Tuchfabrikation in Calw, Leinwandherstellung in Urach) gingen zugrunde; die Einwohnerschaft wurde ausgeplündert, drangsaliert und durch eingeschleppte Seuchen dezimiert. Wirtschaftlicher Niedergang, Hungersnot, Seuchen und Bevölkerungsrückgang prägten die nachfolgenden Jahre.

Schon bald nach der Schlacht von Nördlingen nahm Erzherzog Ferdinand III. eine Reihe von Donationen württembergischer Gebiete als Belohnungen oder Kriegsentschädigungen vor. Die rechtliche Begründung sah er darin, dass der württembergische Herzog, da er sich am Krieg gegen den Kaiser beteiligt hatte, seine Reichslehensansprüche an Württemberg verwirkt hatte. Einer der fähigsten Diener des Hauses Habsburg, Graf Heinrich von Schlick, erhielt durch kaiserliches Dekret vom 30. Juni 1635 die südlichen Ämter Tuttlingen, Balingen und Rosenfeld als Eigentum, wozu dann bei der Übergabe noch die Stadt Ebingen gezogen wurde.

Heinrich von SchlickHeinrich von Schlick - biographische Notizen

Heinrich Schlick wurde um 1580 in Eger als Sohn des Georg Ernst und seiner Gattin Maria Sidonia Colonna von Fels geboren und in der lutheranischen Tradition seiner Familie erzogen. Er hatte sich von Jugend an aller Adelicher und Ritterlicher Tugenden, auch underschidlicher Sprachen beflissen. Trotz seiner protestantischen Konfession trat Schlick im Alter von 17 Jahren in kaiserliche Dienste und kämpfte unter Basta in Ungarn. Vermutlich 1604 wurde er Offizier in spanischen Diensten und kämpfte in den Niederlanden, wo er einen Achseldurchschuß erlitt. Nach Abdanken des Regiments unternahm er eine Reise durch Frankreich und trat von 1609-1610 wieder in kaiserliche Dienste in Jülich und im Elsass. Danach führten ihn seine Reisen durch Frankreich, England und die Niederlande, wo er Geometrie, Mathematik und waß darzu gehörig, neben andern Adelichen und Ritterlichen Exercitien studierte. 1614 nahm er Dienst in Pfalz-Neuburg, im Jahr darauf wieder in Spanien und 1616 beim Herzog von Braunschweig, wo er 500 Reiter in vier Kompanien als Obristleutnant kommandierte. Von dort zog er in die Niederlande, 1617 war er in Italien und focht in der Armee von Don Pedro di Toledo gegen den Herzog von Savoyen. Mit dem Beginn des Aufstandes in Böhmen kehrte Schlick in seine Heimat zurück und im Frühjahr 1619 erhielt er das frühere mährische Regiment Albrecht von Wallensteins.

Schlick kommandierte sein Regiment in Mähren, er kämpfte in Österreich in Thurns Armee und nahm unter der Kommandantur von Kinski an der Verteidigung von Dampierre an der Weitra am 13. November 1618 teil. Im Mai und Juni 1619 lag er wieder mit Thurns Armee vor Wien. Er war unter denen, die auf protestantischer Seite bei der Schlacht am Weißen Berg am längsten aushalten konnten und wurde gefangen genommen.

Im Februar 1621 wurde Schlick als Oberst über ein Regiment zu Fuß von zehn Kompanien auf fünf Jahre in kaiserliche Dienste genommen. Er konvertierte zum katholischen Glauben und heiratete am 21. Februar 1623 Anna Maria von Salm-Neuburg (1598-1647), die ihm im Verlauf der Ehe zwei überlebende Kinder schenkte, Franz Ernst und Maria Sidonia. 1625 zog Schlick als Generalfeldzeugmeister unter General Wallenstein gegen den niedersächsischen Kreis und Dänemark. Als Vorhut Wallensteins eroberte er mit elf Regimentern innerhalb von 16 Tagen Magdeburg und Halberstadt, Wallenstein zog nach und nahm Winterquartier in diesen Orten. Schlick zog auf Befehl Wallensteins nach Schlesien, Ungarn und Siebenbürgen und geriet in ungarische Gefangenschaft, aus der er sich gegen Zahlung von 8000 Reichtalern loskaufen konnte. Auf dem Rückweg zum kaiserlichen Hof ist ihm unterwegens ein allergnedigistes Handbrieffel von Ihrer Kays. May. zukommen, daß sie ihme allergnädigst zu ihrem Feldtmarschalcken erkohren, ob er zwar sich dessen bey ihrer Kays. Mayest. zum höchsten entschuldiget, so haben doch Ihr. Kayserl. May. auff seiner Persohn bestendig beharret, und er sich auch letztlich sich Ihrer Kays. May. allergnädigisten Willen accomodirt. Der neu ernannte Feldmarschall sorgte mit seinem vorgesetzten General Wallenstein dafür, dass die Dänen das von ihnen besetzte Schlesien innerhalb zweier Monate räumen mussten und zog ihnen mit 8000 Pferden nach Norddeutschland nach. Er vereinigte seine Truppen mit denen von Herzog Georg von Lüneburg und denen von General Tilly und eroberte Holstein, Dietmarschen, Schleswig und Jütland. Anschließend sah er seine Aufgabe darin, den Markgrafen von Durlach zu besiegen. Bei einem ersten Treffen kam Schlick ihm so nah, dass man aus des Graff Schlicken Läger mit Stucken in ein Theil des Marggraffen Läger hat schiessen können. Der Markgraf sah sein Heil nur noch in der Flucht und zog sich nach Heiligenhafen an die See zurück. Schlick ließ ihm seine Truppen bei Nacht folgen und bei Tagesanbruch standen sie sich gegenüber. Das Theatrum Europaeum, das große Werk über die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges schreibt: Under solchem Verlauff ist zwischen dem Marggraffen von Durlach und dem Graffen Schlick in Holstein ein hartes Treffen vorgangen, darbey der Marggraff den Kürtzern gezogen, auffs Haupt geschlagen, all sein Geschütz in 32 Stück, 43 Fahnen und sonsten stattliche Beuthen ihm abgenommen, und dadurch gantz Holstein in Kaysers Gewalt gebracht worden. Der Marggraff hat sich mit etlich wenig Officierern zu Schiff begeben und mit der Flucht salvieret: der Rest der Armee aber hat sich unter die Kayserische undergestellt. Nach erfolgter Besetzung Schleswigs und Jütlands sorgte Schlick noch durch Besetzung verschiedener Festungen für Stabilität in dieser Region und zog sich dann auf seine Güter in Böhmen zurück.

Heinrich Schlick war einer der fähigsten Feldherren in kaiserlichem Dienst während des Dreißigjährigen Kriegs. Mit dem Sieg über die Dänen bei Heiligenhafen und durch seine bemerkenswerteste Tat, der außergewöhnlich schnellen Eroberung Jütlands 1627, die ohne Parallele in der Kriegsgeschichte ist, machte er sich einen Namen als Feldherr. Er war einer der wenigen Kommandanten seiner Zeit, die vollständig verstanden hatten, welche großen Vorteile aus der schnellen und unerbittlichen Verfolgung eines bereits besiegten Feindes zu ziehen waren und der die Kraft und Fähigkeit dazu hatte, solch eine Kampagne durchzuziehen. Es ist daher verwunderlich, dass er, nachdem er den dänischen Widerstand 1627 gebrochen hatte, seine aktive militärische Laufbahn nicht weiterverfolgte. 1630 quittierte er endgültig den Dienst und zog sich auf seine Güter in Böhmen zurück. Im September dieses Jahres wurde Wallenstein der Kommandatur enthoben. Schlick wurde gebeten, als Generalfeldmarschall unter Tilly wieder zu Felde zu ziehen, aber er lehnte ab. Es gab damals fast keine Männer, die die Qualifikation zum Führen der kaiserlichen Armee hatten. Graf Schlick, ein wertvoller Hauptmann und höchst geschätzt, wünschte aber, für sich in Ruhe zu leben und nicht zu dienen.

1632 wurde Schlick zum Präsidenten des kaiserlichen Hofkriegsrats bestellt, ein Amt, das er bis 1649 innehatte. Und wiewol es ihme zimblich schwer gefallen, sich bey Hoff einzulassen, so hat er sich doch uberwunden, und seinen allergnädigsten Kayser und Herrn (der zu ihm ein allergnädigstes Vertrauen trueg) nicht auß Handen gehen wollen, sondern disen ihm aufgetragenen Befelch underthanigst acceptiert.

Mit Schlicks Bestellung wurde ein Amt wiederbesetzt, das seit dem Tod Collaltos Ende 1630 verwaist war. Ob diese Bestellung auf Vorschlag oder Bitten Wallensteins geschah, der Anfang 1632 wieder Generalissimo der kaiserlichen Truppen wurde, ist unklar. Eine unverständliche Passage in einem Schreiben vom 12. April 1632, das Johann Ulrich von Eggenberg als Leitfaden für seine Verhandlungen mit Wallenstein mitgegeben wurde, scheint anzudeuten, das die Bestellung Schlicks als Hofkriegsratspräsident von Wallenstein gewünscht war. Zum Geheimen Kaiserlichen Rat wurde er fast sofort nach seiner Bestellung zum Präsidenten des Hofkriegsrates zugelassen.

Der Ruf, den Schlick sich als aktiver Kommandant und durch seine Verwaltungstätigkeiten erwarb, war ein beträchtlicher. Er hatte anscheinend ein bemerkenswertes Gedächtnis, was geographische und personelle Angelegenheiten betraf: Es hat Graff Schlick zu einem so vornemben Kriegshaubt auch diese Gnad von GOtt, daß er ein solche vollkombne Gedächtnuß, daß er in gantz Teutsch- und Niderlandt, auch Ungarn und andern Königreich und Ländern, wo er gewesen, alle Päß, Stätt, Flecken, Flüß und Bach, auch alle Obriste und Befelchshaber kent, daß er sie alle mit Nahmen nennen, darvon, als wann ers gegenwertig zaigen solt, diseurieren und relation thun kann, so weiß er auch, zu wem ein und der ander Obrist und Officierer zubrauchen, wie weit sich sein Verstandt, Valor und Erfahrenheit erstreckt, und kann man ihm diß Prae vor andern seiner profession gewiß geben.

Am 28. September 1643 wurde Schlick durch den spanischen König Philipp IV. in den Ritterorden des Goldenen Vlieses aufgenommen und von Kaiser Ferdinand III. damit bestätigt. Die diplomatischen Fähigkeiten Schlicks waren begehrt, Philipp IV. verwies seinen nach Deutschland geschickten Botschafter, den Herzog von Terranova, an ihn, sich seines Raths in allen Vorfallenheiten und guter Correspondenz zugebrauchen. Schlicks Redlichkeit und sein Arbeitseifer waren äußerst geschätzt: so hat er auch im Römischen Reich ein solchen Credit, dass ihn Chur: Fürsten und Ständt lieben und vertrawen, und sein Redligkeit im Hertzen und Gemüth hoch halten, seines Herrn Dienst eyferet er so sehr, dass er auch darinnen nicht dissimuliern kann, dass ihm offt zu Zeiten schelche Augen verursacht.

Heinrich Schlick starb im Alter von 70 Jahren am 5. Januar 1650 als Feldmarschall, Geheimrat, Kämmerer, Präsident des Hofkriegsrates und Träger des goldenen Vlieses.


Heinrich von Schlick als Herr über Tuttlingen und die südlichen Ämter Württembergs

1635 war im Kriegswesen des dreißigjährigen Krieges für Tuttlingen ein besonders schweres Jahr. Zu allem anderen Elend des Krieges kam noch die Pest. Am 5. Oktober wurden 14 Menschen gleichzeitig begraben, insgesamt starb in diesem Jahr wohl mehr als die Hälfte der damaligen Bevölkerung. Viele suchten ihr Heil in der Flucht, vor allem nach Schaffhausen und Diessenhofen, aber auch in andere Orte der Schweiz. Die verbliebenen Tuttlinger wandten sich an die Geflohenen, sie sollten sie nicht vergessen und vor allem ihren Steuerverpflichtungen nachkommen. Die in der Stadt gebliebenen, verarmten Bürger, die mit Worten und Schriften nicht anzudeutende Beschwernisse auszustehen haben und in ihrer Leibesnahrung bedroht und beinahe völlig ruiniert seien, hätten dafür gesorgt, dass das Städtlein nicht längst zu Grund und Asche gerichtet worden sei. Während jene in Freud, Ruhe und Sicherheit leben, schwebten sie hier Tag und Nacht in höchster Angst und Gefahr. Der Erfolg dieses Schreibens blieb jedoch aus. Dass diese Leute ihre Heimat verlassen hatten, hatte noch einen anderen Grund, und der war religiöser Art.

Am 12. November 1635 nahm Graf Schlick sein kaiserliches Geschenk durch Graf von Wolckenstein und den kaiserlich-württembergischen Regimentsrat und ehemaligen Tübinger Professor Besold in Balingen in Besitz und Huldigung. Schlick selber betrat das neu erhaltene Gebiet nie.

Durch den Übergang der südlichen württembergischen Ämter an Schlick veränderten sich sämtliche Fronten, vor allem für das befestigte Tuttlingen. War es vorher württembergisch-protestantisch und somit auf französisch-schwedischer Seite, fand es sich danach unter dem österreichischen Hofkriegsratspräsidenten trotz seiner protestantischen Bevölkerung plötzlich auf katholischer, kaiserlich-bayerischer Seite und wurde im folgenden zu einem wesentlichen Stützpunkt der Kaiserlich-Bayerischen im Kampf gegen den schwedisch-württembergischen Feind, der vor allem auf dem Hohentwiel fest installiert war.

Schlick ließ die bisherige Verwaltung im großen und ganzen bestehen, er ließ auch die Beamten in ihren Stellen, wenn sie sich nicht direkt gegen ihn stellten. Er erwirkte beim Kaiser einen Sicherheitsbrief für Tuttlingen, der die arg gebeutelte Stadt von Einquartierungen befreien sollte. Der Wert solcher Schreiben war äußerst gering, doch die Bürger setzten jede Hoffnung auf sie.

1636 hatte Tuttlingen trotz des Schutzbriefes eine bayerische Besatzung von 100 Reitern und 60 Mann Fußvolk, die den strategisch wichtigen Donauübergang schützen sollte. Deren Verpflegung war für die dezimierte und verarmte Bürgerschaft alles andere als leicht, und zu allem Übel breitete sich eine große Mäuseplage aus. Ein unbekannter Chronist schreibt: Um das Maas des Unglücks noch mehr zu füllen, zeigten sich kaum vor der Erndte eine so ungeheuer grose Menge Mäuse, daß es öfters geschahe, einen Acker, der den Abend vorher noch in seiner vollen Aehren-Pracht dastund, Morgens völlig abgefressen zu sehen. Als man nachgrub, fand man ganze Haufen, von den Mäusen zusammengetragenes, Getreide, dessen Genuß jedoch für den Menschen sehr schädliche Folgen hatte. Das grose Elend dieser zweyer Jahre wirkte höchst zerstörend auf alle bürgerliche Verhältnisse; es wurde beynahe nicht mehr gearbeitet; die Gewerbe stunden alle still. Das einzige, was man that, daß man Abschied von einander nahm und sich gegenseitig das Versprechen gab, einander zu Grabe tragen zu helfen.

Schlick hatte die Absicht (und als Landesherr sogar das Recht), seine neuen protestantischen Untertanen wieder zur katholischen Religion zurückzuführen. Das Pfarramt war seit der Flucht des Dekans Sattler nach Vaihingen 1635 verwaist, Tuttlingen war daher nur noch mit unständigen protestantischen Geistlichen versorgt, ein Zustand, den die katholische Regierung verständlicherweise nicht ändern wollte. Erst nach 1642, als Tuttlingen wieder von den württembergisch-französisch-weimarischen Truppen besetzt wurde, trat der Öfinger Pfarrer Stephan Grötzinger, der in der Zeit der vakanten Stadtpfarrei Tuttlingen mitbetreute, die Stelle als Stadtpfarrer an. Ob Tuttlingen während dieser Zeit von katholischen Geistlichen betreut wurde, läßt sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht eindeutig belegen, ein landesherrlicher Verzicht auf die Bestellung von Geistlichen und eine siebenjährige Abwesenheit jeglicher Seelsorger jedoch scheint zumindest unwahrscheinlich. Zumindest nahm Schlick Einfluß auf die verbreitete Lehre, so ließ er den Pfarrverweser Grötzinger am 18. April 1637 durch Befehl seines Obervogts auf das Ableben des Kaisers eine Leichenpredigt über Daniel 2, 20 und 21 halten (Er bestimmt den Wechsel der Zeiten und Fristen; er setzt Könige ab und setzt Könige ein.). Den protestantischen Schwenninger Prediger ließ Schlick zwar im Amt, wie der Abt des Klosters St. Georgen in Villingen, Georg Gaisser, berichtet, zahlte ihm aber die ihm zustehenden Anteile an seinem Zehnten nie aus.

Schlick betrieb jedoch eindeutig die Gegenreformation: In einem gräflichen Schreiben vom 20. Februar 1637 aus Regensburg an seinen Rat und Obervogt der Oberämter Tuttlingen, Balingen und Rosenfeld, Johann Werner von Themar, wurde diesem der Befehl erteilt, die protestantischen Witwen und Mädchen so viel wie möglich mit katholischen Männern zu verheiraten, damit die katholische Religion auf diese Weise wieder ausgebreitet würde. In einer diesem Schreiben beigefügten Nachschrift wurde der Obervogt durch den gräflichen Sekretär Martin Meister dringend aufgefordert, kräftig an der Ausführung dieses Planes mitzuwirken, ihm aber auch gleichzeitig strengstes Stillschweigen darüber zur Pflicht gemacht.

In den folgenden Jahren wurde der kaiserliche Stützpunkt Tuttlingen immer wieder von den Schweden besetzt, ihnen und den mit ihnen verbündeten Württembergern war er seit langem ein Dorn im Auge. Unmenschliches Mordbrennen und schamlose Plünderungen waren an der Tagesordnung. Im Dezember 1637 klagte der Gunninger Vogt bei Abt Gaisser, über Truppen, die im schlickischen Gebiet alles plünderten: Hab wöllen ein salva guardia dingen, wölle aber dieselbige nit weniger nemmen alß täglich 1 ½ thaler so ihnen geben unmöglich. Sie seien deshalb genötigt, ihre Häuser zu verlassen.

1639 erfolgte wieder ein Angriff vom Hohentwiel auf Tuttlingen, der Hohentwieler Kommandant Konrad Widerholt ließ mehrere kaiserliche Soldaten niederhauen, führte den Rest gefangen ab und plünderte die Stadt. Untervogt und Stadtschreiber wurden gefangen gesetzt, die Stadt geplündert, jedoch der evangelische Pfarrer Grötzinger von der Plünderung auf Befehl des Kommandanten ausgenommen. Als Folge begann die Belagerung des Hohentwiel, der Stützpunkt des Infanterieregiments des bayerischen Obersts Truckmüller lag während dieser ganzen Zeit in Tuttlingen. Erst 1641 wurde die Belagerung des Hohentwiel als erfolglos aufgegeben.

Die Einkünfte aus dem von Kriegslasten bedrängten Amt Tuttlingen erfüllten die Erwartungen des Grafen bei weitem nicht. Deshalb schickte er 1640 den Leibarzt seiner Gattin, Dr. Johannes Oßwald, mit einer Beschwerde über die schlechten Einkünfte und die hohen Besoldungen seiner geistlichen und weltlichen Beamten, die sogar sein eigenes Einkommen übertrafen, in seine Besitztümer. Doch bei diesem und auch einem späteren Versuch durch seinen Rat Johannes März erreichte er sein Ziel nicht, die Einkommen aus dem Amt zu erhöhen.

Auf dem Regensburger Reichstag 1640 bot sich für Abt Gaisser die Gelegenheit, den nachbarlichen Landesherrn zu treffen. Seine erste Audienz bei Schlick hatte er am 5. August. Gaisser beschwerte sich bei Schlick über die Bedrängungen, die er durch dessen Beamte erfahren musste. Schlick entgegnete ihm, es sei nicht seine Schuld, er habe mehrfach Anordnung gegeben, das Kloster zu verschonen. Er selber komme in gleicher Weise schlecht mit seinen Beamten zurecht, in zwei Jahren habe er kaum zwei Briefe von ihnen erhalten, von den Einkünften aus seinen Besitztümern wahrlich beinahe nichts. Er wolle den Herzog von Württemberg bitten, Tuttlingen mit Hornberg tauschen zu dürfen und bat den Abt um seine Meinung, von welchem Amt die größeren jährlichen Einkünfte zu erwarten seien. Als Schlick in einer späteren Audienz wieder diese Frage ansprach, riet ihm Gaisser davon ab. Auf Schlicks Vorschlag, Tuttlingen statt dessen mit Schramberg tauschen zu wollen, meinte Gaisser, in Schramberg würden dann seine Einkünfte zu einem großen Teil von guten Kirchenleuten stammen, woraufhin er den Vorschlag sofort fallen ließ. Am Ende wurde aus den ganzen Tauschplänen jedoch nichts.

In weiteren Unterredungen mit dem Grafen von Fürstenberg und anderen Teilnehmern des Reichstages erfuhr Gaisser, dass sämtliche von Schlick erwirkten kaiserlichen Mandate nur Makulatur waren. Auch wenn seine Beamten nicht gehorchten, kümmere man sich am Hofe nicht weiter darum.

Obwohl der von Schlick in seine Besitztümer gesandte Rat Johannes März seinen Sitz in Balingen hatte, aus Mangel an einer entsprechenden Residenz in Tuttlingen (das Stadtschloss war 1634 abgebrannt, der Honberg baufällig), wohl aber auch, weil das befestigte und immer wieder belagerte und bestürmte Tuttlingen als Regierungssitz ein gar unwirtlicher Ort war, waren auch dort März und der Obervogt von Themar nicht sicher. Am 29. Januar 1641 wurden beide bei einem Angriff der Hohentwieler auf Balingen gefangen gesetzt. Auf dem Rückweg mit seinen Gefangenen zum Hohentwiel gab sich Widerholt in Tuttlingen ganz als Freund und Gönner, er kehrte über Mittag im Wirtshaus zum Adler ein und vertrat zugleich die Patenstelle bei dem Täufling eines Bürgers. Martin Meister, der Sekretär des Grafen, konnte fliehen und verständigte Abt Gaisser in Villingen, der sich bei Widerholt für die Gefangenen einsetzte. Die Amtenhausener Nonne Kunigundis, die am 20. Juli den Hohentwiel besuchte, berichtete an den Abt: Herr von Themar verkehre sehr viel mit dem Kommandanten, bei dem er in Gunst stehe und beliebt sei, nicht so der Kommissar (März), den er nie zu sehen bekam, und den fast niemand ohne beim Kommandanten anzustoßen, besucht hat. Für letzteren werde ein Lösegeld von 1000 Taler, für jenen eines von 500 Talern gefordert. Themar betreibe die Freilassung nicht. Die Gefangenen wurden Ende Oktober oder Anfang November 1641, nachdem Schlick das Lösegeld bezahlt hatte, freigelassen. März wurde durch Schlick am 3. November 1641 zum höchsten Verwalter seiner Güter eingesetzt.

Im März 1641 schickten die Tuttlinger zwei Abgeordnete, den Schultheißen Hans Fischer und den Bürgermeister Johann Conrad Mengern, zum Grafen Schlick, der sich in München aufhielt, um ihm die bedrängte Lage der Stadt vorzustellen, ihn um seinen Schutz und die Abstellung der allgemeinen Beschwerden zu bitten. Schlick erwirkte einen kaiserlichen Schutzbrief, der aber nicht das Papier wert war, auf dem er stand.

Auch die nächsten Jahre hatte Tuttlingen unter Eroberungen und Rückeroberungen zu leiden, Schlick, der sich zwar immer wieder, auch beim Kaiser, für seine Untertanen einsetzte, konnte von seinen Besitztümern nicht profitieren. Ab 1642, nach der Eroberung der Stadt Tuttlingen durch die Hohentwieler Truppen, verlor er schon an Einfluß auf seine Besitztümer. Die Kaiserlich-Bayerischen konnten Tuttlingen zwar immer wieder zurückerobern, die Angriffe vom Hohentwiel blieben aber bestehen.

Württemberg war immer noch bestrebt, die durch die Flucht des Herzogs verloren gegangenen Teile des Landes zurück zu erhalten. So bot der Herzog im Mai 1645 dem Grafen das Recht auf eine Hypothek an einem Bergwerk in Krain, die ungefähr 100 000 Gulden betrug, zur Auslösung seiner Ämter an. Über Schlicks Reaktion ist nichts bekannt, zu einer Auslösung kam es jedoch nicht.

Im Jahr 1647, als die Ämter Tuttlingen, Balingen, Ebingen und Rosenfeld durch französische Garnison schwere Lasten zu ertragen hatten, wandten sie sich an ihren alten Landesherrn, Herzog Eberhard. Dieser verwendete sich zwar als mit Frankreich Verbündeter für sie beim Marschall Turenne, blieb aber erfolglos. Herzog Eberhard fand so aber eine gute Gelegenheit, sich der verloren gegangenen Ämter wieder zu bemächtigen. Der Chronist schreibt: Unterm 15ten Apr. 1647 erließ der Gräflich Schlicksche Unter-Vogt zu Balingen, Hans von Zimmern, von Rottweil aus, wo er sich damalen aufhielt, ein hartes Schreiben an die Schlickschen Unterthanen, des Innhalts ,daß er vernommen habe, wie sie anfiengen, ihrem rechtmäßigen Herrn untreu zu werden, und sich wieder an den Herzog von Würtemberg anschlößen, und somit ihrer Unterthanen-Pflicht schändlich vergäßen.
Herzog Eberhard, dem man die Sache vorlegte, erließ am 24. Apr. den Befehl, daß man dem Unter-Vogt antworten solle, da sie von jedermann verlassen worden wären, er selbst auch ohne dringende Noth sich entfernt habe, so habe sich der Herzog ihrer wieder gnädig angenommen.

Kurz darauf hatte der Schrecken des Krieges endlich ein Ende. Schlick mußte seine Ämter wieder an Württemberg abtreten. Für Tuttlingen waren die 13 Jahre der Herrschaft Heinrich von Schlicks nach allem, was aus den erhaltenen Unterlagen zu entnehmen ist, schreckliche Jahre. Das Grauen des schrecklichsten Krieges, der je Europa heimgesucht hatte, war hier stärker zu spüren als an anderen Orten des Reiches. Stadt und Festung Tuttlingen, angelegt zum Schutz der württembergischen Südgrenze, wurde zu einem wesentlichen Stützpunkt der Habsburger im deutschen Südwesten. Ein Stützpunkt,der vor allem durch die Nachbarschaft des württembergischen Machtzentrums Hohentwiel viel Elend über die Bevölkerung brachte. Konrad Widerholt, der Wahrer württembergischer Interessen während des Dreißigjährigen Kriegs, war gezwungen, militärisch gegen seine ehemaligen Landsleute vorzugehen, sah sich sogar gezwungen, nach Eroberung Tuttlingens am 17. Februar 1645 die Festungswerke um die Stadt niederreißen und den Honberg zerstören zu lassen, um den habsburgischen Posten in seiner direkten Nachbarschaft endgültig auszuschalten. Nicht nur, dass die Stadt von ihrem angestammten Landesherrn entfernt wurde - auch unter österreichischer Herrschaft fühlte sich die Stadt immer noch Württemberg zugehörig - auch der von oben angeordnete konfessionelle Wechsel war für die Bevölkerung schwer zu verkraften.

Auch für Schlick erfüllten sich die in die Vergrößerung seiner Besitztümer gesteckten Erwartungen nicht. Schlick, einer der wohlhabendsten Männer in Böhmen, hatte am Ende seines Lebens derartige Schulden, dass der Großteil seiner Besitzungen, sofern sie ihm nicht ohnehin weggenommen waren, verkauft oder verpfändet werden mussten. Das war die Folge seiner exzessiven privaten Ausgaben sowie dem regelmäßigen Ausfall von Einnahmen aus seinen Besitztümern, was aber durch die immensen Kriegslasten bedingt war.

Gekürzte Fassung aus: 

Rainer Knörle: Heinrich von Schlick, Reichsgraf zu Passaun und Weisskirchen, Erbherr zu Balingen, Tuttlingen, Rosenfeld und Ebingen, Tuttlinger Heimatblätter 67, 55-71 (2004).

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